Consciousness Research Mental Health Psychedelic Integration


Stille Wasser und hohe See

Zur Synergie von Meditation und Psychedelika

Übersetzt und editiert von Marvin Däumichen

In diesem Essay spreche ich aus der Perspektive eines westlichen buddhistischen Lehrers und jemand, der psychedelische Forschung in der Schweiz unterstützt hat. Ich bin kein wissenschaftlicher Psychedelika-Forscher, habe aber in meinem Leben Psychedelika auf bereichernde Weise erforscht. Ich werde nur eine wissenschaftliche Arbeit zitieren – eine Studie mit Langzeitmeditierenden und Psilocybin, die am Felsentor, einem Meditationszentrum in der Schweiz, stattfand.1 Kurz gesagt, alle Teilnehmer waren sich einig, dass diese beiden Ansätze (Meditation und Psychedelika) nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Das eine kann das andere nicht ersetzen, aber sie können sich sehr wohl gegenseitig unterstützen.

Zufolge Patanjali, dem legendären Verfasser der Yoga Sutras, sind Meditation und Psychedelika Technologien des Bewusstseins, Tore zu den heiligen, wunderbaren Zuständen, die als Siddhis bezeichnet werden und zu Beginn seines Kapitels über Freiheit aufgelistet werden. An erster Stelle steht die angeborene/spontan auftretende (janma), gefolgt von den Heilpflanzen (osadhis), den Entbehrungen (tapahs), der Wiederholung von Silben (mantras) und als letztes in der Liste die Meditation (samadhi).

Eine Möglichkeit, die Beziehung zwischen Meditation und Psychedelika zu betrachten, liegt im Blick auf die etymologischen Wurzeln der beiden Wörter. “Meditation” kommt vom lateinischen “meditari”, das wiederum seinen Ursprung im indogermanischen “med” hat, was etwas mit “messen, gehen, abstecken” zu tun hat. Wir könnten es erfassen als Akt des Erforschens, des Begehens, des Vermessens, des Absteckens der Sphäre unseres Bewusstseins. “Psychedelisch” basiert auf den griechischen Wörtern “psyche” und “delos”, wobei das erste “Atem, der Sitz des Bewusstseins” bedeutet, das zweite “klar, sichtbar”. Psychedelika können uns helfen, unseren Geist zu klären und die Natur des Bewusstseins sichtbar zu machen. Vom etymologischen Standpunkt aus betrachtet, weisen also Meditation und Psychedelika trotz sehr unterschiedlicher Abstammungen in die gleiche Richtung: Die Erkundung unseres inneren Wesens. Die sprachliche Beziehung zwischen den beiden Wörtern spiegelt die tatsächliche Erfahrung vieler Menschen wider, die sie als sehr unterschiedliche Mittel zur Erforschung sehr ähnlicher Themen betrachten: Bewusstsein, wir selbst, der Sinn der Existenz, das Endgültige.

Verschiedene Pfade und doch das selbe Ziel?

Diese verschiedenen Zugangspfade sind vielleicht gar nicht so unterschiedlich, wie sie zunächst erscheinen. Mehrere wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass ozeanische, grenzenlose Bewusstseinszustände, die mit tiefen Gefühlen der Verbundenheit mit anderen Menschen und der Natur in Zusammenhang stehen, durch die Einnahme bestimmter Psychedelika erreicht werden können, ebenso wie durch bestimmte nicht-pharmakologische Praktiken wie ein Floating-Tank, ausgedehntes Tanzen (z.B., wie es von einigen Sufis praktiziert wird), Trommeln (z.B., wie es von einigen nordamerikanischen Indianern praktiziert wird) oder Meditation (z.B. sitzendes Zazen).

Ein kleines Detail, das ich in diesem Zusammenhang besonders interessant finde, ist die Tatsache, dass hohes Fieber (unter dem Ignatius von Loyola, Franz von Assisi, Hildegard von Bingen sowie viele andere christliche Heilige zur Zeit ihres spirituellen Erwachens litten) anscheinend beobachtbare und messbare Veränderungen im Gehirn hervorruft, die mit den Veränderungen vergleichbar sind, die durch die Einnahme von Psilocybin und anderen Psychedelika hervorgerufen werden.

Das bedingte Entstehen spiritueller Praktiken und Psychedelika im Westen

Doch es gibt eine weitere Methode, in der ihr (als im Zusammenhang) bedingtes Entstehen (Pratītyasamutpāda) in unserer heutigen Zeit zu betrachten. Es ist gut dokumentiert, dass Meditation (und Yoga und andere spirituelle Praktiken und Konzepte) in der westlichen Hemisphäre so schnell populär wurden, weil psychedelische Erfahrungen den Boden dafür bereiteten. Es waren vor allem wir Hippies, die nach Indien und an andere Orte fuhren, um all diese exotischen und doch irgendwie faszinierenden Praktiken und Ideen zu entdecken und aufzunehmen, angetrieben von jugendlicher Neugier und einem existenziellen Bedürfnis, diesen lebensverändernden Erfahrungen unter dem Einfluss mächtiger, geheimnisvoller (psychedelischer) Substanzen einen Sinn zu geben. Einige von uns blieben dort, zumindest für ein paar Jahre, schließlich aber brachten wir unsere neu gewonnenen Fähigkeiten, Methoden und Einsichten zurück, zusammen mit den (hauptsächlich asiatischen) Lehrern, die wir auf dem Weg trafen. Einige machten mit den anfänglichen Mitteln zur Bewusstseinsveränderung weiter, aber wahrscheinlich hörten die meisten von uns auf Psychedelika zu nehmen, zumindest für eine Weile, manchmal (wie in meinem Fall) für Jahrzehnte. Heutzutage scheinen einige wieder dazu zurückzukehren und bekunden ein erneutes Interesse an diesem Ansatz.

Wissenschaftliche Forschung zur Synergie von Meditation und Psychedelika

Das erneute Interesse hat auch zu verschiedenen wissenschaftlichen Studien geführt. Im Jahr 2015 führten wir zusammen mit Franz Vollenweider und seinem Team von der Universität Zürich ein Retreat am Felsentor durch, einem abgelegenen Meditationszentrum hoch über dem Vierwaldstättersee.1 Am vierten Tag eines mehr oder weniger traditionellen Zen-Sesshin (ein intensives stilles Meditationsretreat) erhielten 40 Teilnehmer entweder eine relativ hohe Dosis (0,315 mg/kg) Psilocybin oder ein Placebo. Es handelte sich um Personen mit viel Meditationserfahrung (mindestens fünf Jahre) und keiner (oder sehr wenig) Erfahrung mit Psychedelika. Während des Retreats mussten sie (scheinbar endlose) Fragebögen ausfüllen und sich regelmäßig körperlich untersuchen lassen; direkt vor und nach dem Event bekamen sie an der psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich ein MRI, um ihre Gehirnaktivität zu messen.

Durch die Studie konnten wir zeigen, dass nach fünf Tagen Meditation Konzentration, Mitgefühl, soziales Engagement und das allgemeine Wohlbefinden der Meditierenden signifikant höher waren als im Ausgangswert zu Beginn – Meditation wirkt! Bei den Personen, die nicht das Placebo, sondern die aktive Dosis Psilocybin bekamen, waren alle diese wünschenswerten Eigenschaften noch viel stärker messbar, auch nach 3 und 6 Monaten. Alle Teilnehmer berichteten ausnahmslos positiv (was wissenschaftlich fast ein bisschen peinlich ist). Die Erfahrungen und die Rückmeldungen deckten ein breites und differenziertes Spektrum ab, von “interessant, aber nichts grundlegend Neues” bis “das war hilfreicher als viele Jahre Sitzmeditation”. Alle in dieser Gruppe waren sich einig, dass Meditation und Psychedelika nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Das eine kann das andere nicht ersetzen, aber dass sie sich sehr wohl gegenseitig unterstützen können. Viele der Langzeitmeditierenden hatten das Gefühl, dass die psychedelische Erfahrung ihre tägliche Praxis erfrischte, bestärkte und bestätigte. Eine Frau hatte zehn Jahre zuvor begonnen, ein O’Kesa (buddhistische Robe) zu nähen, es aber irgendwie nie beendet. Sie nahm den Faden wieder auf und vollendete es schließlich und mit Freude.

Und es funktionierte auch in die andere Richtung: Durch ihre lange Praxis des Stillsitzens und der Beobachtung des unruhigen und kreativen Geistes waren die Teilnehmer offensichtlich besser in der Lage, die manchmal recht intensiven und potenziell ängstigenden Veränderungen der Wahrnehmung während der psychedelischen Reise zu bewältigen. In einer bahnbrechenden Studie von Roland Griffiths und seinem Team an der John Hopkins University (dosisbezogene mystische Erfahrungen) hatten zwei Drittel der Teilnehmer, die eine hohe Dosis Psilocybin erhielten, zutiefst mystische Erfahrungen, und etwa ein Drittel berichtete von Passagen intensiver Verwirrung und/oder Angst (nichts davon wirklich schwerwiegend oder dauerhaft). Im Vergleich dazu sahen wir in der Studie am Felsentor einen noch höheren Prozentsatz an ozeanischer Offenheit und mystischen Erfahrungen – und praktisch keinerlei unerwünschte Nebeneffekte.

Set und Setting

Diese Unterschiede lassen sich zurückverfolgen und bringen uns zu den drei Juwelen der psychedelischen Reise: SSS, Substanz (oder Sakrament), Set und Setting. Das Sakrament war in beiden Studien dasselbe, aber das (Mind-)Set eines erfahrenen Langzeitmeditierenden unterscheidet sich von dem eines Menschen ohne Meditationserfahrung, und auch das Setting fiel recht unterschiedlich aus: Einzel- versus Gruppenerfahrung, ein (gemütlich eingerichtetes) Krankenhauszimmer versus ein klösterliches Setting in den abgelegenen Bergen.

Ein klösterliches Setting bringt vielleicht nicht sofort die Assoziation mit Psychedelika hervor. Betrachtet man jedoch die Ursprünge der Weltreligionen, so kommen viele Autoren zu dem Schluss, dass sie zumindest teilweise in schamanistischen Praktiken und Weltanschauungen verwurzelt sind… und dass sie wahrscheinlich auch verschiedene Substanzen verwendeten. Sakramente (“ein Mittel, um zum Heiligen zu gelangen”) in Form von psychoaktiven Substanzen lagen eindeutig an den Wurzeln unserer indoeuropäischen Kultur: Im Rigveda, dem ältesten der vier Veden, wird 126 Mal ein Entheogen namens Soma erwähnt, das getrunken wurde, um mit den Göttern in Kontakt zu treten. Und in Athen endeten und kulminierten die Eleusianischen Mysterienspiele für viele Jahrhunderte – vielleicht Jahrtausende – mit der Einnahme von Kykeon, wahrscheinlich einem weiteren potenten psychedelischen Trank. Die neu christianisierten Römer beendeten diese heidnische Tradition und zerstörten den physischen Tempel im vierten Jahrhundert. Der genaue Inhalt beider Gebräue ist Gegenstand von Debatten und in letzter Zeit auch von Forschungen (z.B. Mike Crowley: The Secret Drugs of Buddhism; Brian Muraresku: Der Schlüssel zur Unsterblichkeit).

Und es scheint, als wären unsere Vorfahren nicht die einzigen gewesen, die psychoaktive Substanzen konsumiert haben. Andere – wahrscheinlich die meisten, wenn nicht alle – Erdbewohner, biologische Wirte des Bewusstseins, taten und tun es ebenfalls. Der Ethnobotaniker Giorgio Samorini beschreibt in seinem Buch “Animals and Psychedelics” Dutzende von Spezien, die mit der Veränderung des Bewusstseins spielen, indem sie verschiedene artspezifische Pflanzen oder Pilze zu sich nehmen. Diese grundsätzliche Tendenz, die Grenzen unserer Wahrnehmung zu verschieben, ist anscheinend nicht auf uns Menschen beschränkt, nicht einmal auf uns Säugetiere. Als ich einmal einige Amanita muscaria (alias Fliegenpilz) trocknete, bemerkte ich viele tote Fliegen, die zwischen den aufgeschnittenen Stücken lagen. Sie schienen tot zu sein, weil ich mich aber daran erinnerte, dass es sich um eine der in Samorinis Buch beschriebenen Spezien handelte, behielt ich drei zur Beobachtung. Und siehe da, nach einigen Stunden begannen sich zwei von ihnen wieder zu bewegen, zuerst nur mit den Beinchen auf dem Rücken liegend. Schließlich kamen sie wieder auf die Beine und flogen nach einigem Schütteln und Herumlaufen davon. Ich bin mir nicht sicher, ob die dritte eine Überdosis hatte oder ob ich meine Wache zu früh beendete (nach etwa 15 Std.). Später fand ich einen Bericht über eine Fliege, die sich nach fast 40 Stunden in einem komaähnlichen Zustand erholte.

Die Zukunft: Kombinierte Praktiken, Experimente, und individuelle und gesellschaftliche Entwicklung

Zum Abschluss dieses kleinen Aufsatzes stellt sich die Frage, wie sich Meditation und Psychedelika praktisch kombinieren und miteinander verflechten lassen. Es sieht so aus, als ob Menschen, die sich ernsthaft (und hoffentlich unbeschwert und spielerisch) mit Meditation beschäftigen, selbst von einer einmaligen oder gelegentlichen Reise in die Welt der Psychedelika wertvolle Hinweise und Geschenke erhalten können. Und es sieht so aus, als ob Erfahrung in der Meditation ein wertvolles Gut sein kann, um die manchmal hohe See eines solchen Abenteuers zu meistern. Sind diese tiefgreifenden, oft bewusstseinserschütternden Erfahrungen letztlich hilfreich oder schädlich? Einen Moment nach seinem großen Erwachen rief ein Zen-Meister aus: “…mein Leben ist völlig zerrüttet und ruiniert…”. Wenn wir uns der Lebenskraft selbst nähern – und nicht nur unseren Vorstellungen von ihr -, werden unsere Kategorien und Sichtweisen relativiert und ihre relative Natur wird offensichtlich. Aus dieser Perspektive müssen wir den Wert jeder gegebenen Erfahrung beurteilen.

Ich fühle mich bekräftigt durch die vielen mutigen und innovativen Experimente, die derzeit in diesem Bereich auf der ganzen Welt stattfinden, und durch die Veränderung der Medienberichterstattung und der öffentlichen Wahrnehmung – was mit der Zeit hoffentlich auch zu einer Änderung des rechtlichen Status dieser potenten Moleküle führen wird. Wenn sie respektvoll und weise eingesetzt werden, haben sie das Potenzial, uns zu leiten, zu helfen und zu heilen, indem sie uns sowohl die Schönheit und das Mysterium von allem, als auch die selbstmörderischen Fallen, in denen wir Menschen uns individuell und als globale Kultur und Gesellschaft befinden, bewusst machen.

Mögen alle Lebewesen glücklich und frei von Leid sein. 

Referenzen

  1. Smigielski, L. et al.Characterization and prediction of acute and sustained response to psychedelic psilocybin in a mindfulness group retreat. Scientific Reports 9, 14914 (2019).


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